21.10.2011 | "Wild unserer Wälder ist schützenswertes Volksgut" | Schlitzer Bote

Prof. Dr. Hofmann bei seinem Vortrag.

Vorlesung von Prof. Hofmann vor mehr als 120 Jägern und anderen Interessierten im Informationszentrum

ULRICHSTEIN Auf Einladung der Rotwildhegegemeinschaft "Hoher Vogelsberg" und in Verbindung mit der Unteren Jagdbehörde fanden sich im Informationszentrum der Stadt Ulrichstein mehr als 120 Jäger, Revierinhaber und Naturfreunde ein. Von unserem Mitarbeiter ALFRED HAHNER

Prof. i. R. Dr. vet. Reinhold R. Hofmann informierte zum Thema "Evolutionäre und saisonale Anpassung des Verdauungspparates, des Äsungsverhaltens und der Lebensraumnutzung des Rotwildes in Beziehung zur Erhaltungsfütterung im Winter".

Die Power-Point-Präsentation war wie eine Vorlesung aufgebaut und für die Zuhörer hochinteressant. Der Vorsitzende der Rotwildhegegemeinschaft, Ewald Schaaf, dankte Frank Leinberger von der Unteren Jagdbehörde, den Vorsitzenden der Jägervereinigung Lauterbach, Erich Bloch, und des Jagdvereins Alsfeld, Mario Döweling sowie den Mitgliedern der Hegegemeinschaften für ihre Teilnahme an der aktuellen Diskussion um die Winterfütterung.

Prof. Hofmann lehrte viele Jahre als Leiter der veterinärmedizinischen Fakultät an der Universität Gießen, baute 1994 in Berlin das Leipnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung auf und wirkte dort bis zu seiner Emeritierung. Hofmann machte deutlich, dass er gegen eine einseitige Degradierung der Wildtiere ist und kritisierte in diesem Zusammenhang zahlreiche Biologen und selbst ernannte "Spezialisten".

Hofmann stammt aus Ilmenau in Thüringen und verlebte dort seine Kindheit und Jugendzeit. Die Jägerprüfung legte er beim Jagdverein "Hubertus" Gießen ab. Bevor er seine Tätigkeit bei der Universität Gießen aufnahm, erforschte er die Anatomie des Rehwildes, gründete den Arbeitskreis Wildbiologie, war viele Jahre dessen Vorsitzender und war einige Jahre in Afrika tätig, wo er die Anatomie der dort lebenden Grasfresser studierte.

Kritik an der "modernen" Auffassung von Jagd und Wild

Er übte heftige Kritik an der "modernen" Auffassung von Jagd und Wild und wandte sich gegen den Grundsatz "Wald vor Wild". Vielfach werde Ökologie mit Ökonomie verwechselt. Er kritisierte viele Förster und Jäger, die sich nicht in die Lebensweise des Wildes hinein dächten. Dabei seien konstruktive Lösungen durchaus möglich. "Wild ist eine wertvolle und erneuerbare Natur-Ressource und ein schützenswertes Volksgut." Rotwild sei die älteste Schalenwildart überhaupt, gefolgt von Schwarz- und Rehwild.

Der Verdauungsapparat bestehe aus einem vierteiligen Magen und Kopfspeicheldrüsen. Das Stoffwechseltief liege im Winter von Dezember bis Ende März. Die häufig anzutreffenden monotonen Fichtenkulturen böten zwar gute Deckung, aber so gut wie keine Äsung. Fichtentriebe seien nur eine Notäsung. Im Gegensatz zum Rotwild passe sich das Rehwild fast allen Landschaftstypen an. Seit elf Millionen Jahren sei der Verdauungsapparat beim Rehwild unverändert.

"Wenn sie im Winter nur Grasheu im Pansen haben, verhungern die Rehe", stellte Hofmann fest. Rehe könnten im Winter keine Zellulose aufnehmen. Deshalb tritt Hofmann für das Ende der Jagdzeit zum 31. Dezember ein. Seine wissenschaftlichen Forschungen belegte der Professor mit zahlreichen Bespielen. Rotwild sei kein Steppentier, sondern ein sozial hochentwickeltes Rudeltier und halte feste Wechsel ein. Seine Grundnahrung sei unverholztes Gras, das im Wald dann zur Verfügung stehe, wenn das Licht den Boden erreicht. Rotwild müsse sechs- bis achtmal am Tage äsen.

Wo es durch den Menschen gestört werde, entstehe der so genannte "Wartezimmerverbiss" am Jungwuchs. Rotwild könne Störungen gut einschätzen; ab Dezember trete eine Energieeinsparung ein, die Fluchtfähigkeit sei durch die Schneelage stark eingeschränkt. Deshalb solle im Wald Ruhe herrschen. Falsches Füttern dürfe nicht zum Fütterungsverbot werden. Artgerechte und saisongerechte Stützmaßnahmen könnten dem Rotwild über die Notzeit helfen.

Der immer wieder geäußerte Satz "Wald vor Wild" sei ungesetzlich und inakzeptabel, stellte Hofmann fest. In früheren Fütterungen sei oft die Rangordnung missachtet worden, "Kälber kamen immer zu kurz". An Futterstellen seien daher Betretungsverbote notwendig. Wer mit dem Ende der Jagdzeit (31. Januar) mit der Fütterung aufhöre, verleite das Rotwild zum Wildverbiss.

Kraftfutter solle im Winter keinesfalls gereicht werden, weil es Rot- wie Rehwild nicht aufschließen könne. Allein der Mensch sei für das Wohl und Wehe des Wildes verantwortlich, stellte Prof. Hofman abschließend fest. Es folgte eine lebhafte Diskussion.